Marokko
gen Norden – Chefchauen und Akchour
Von
Tizgane ist es nur noch ein Katzensprung nach Chefchauen und so
erreichen wir nach 50km die Berge hinauf, den Campingplatz Azilan
etwas oberhalb der Stadt.
Dort
richten wir uns nur schnell ein und laufen dann über steile Wege in
die Innenstadt hinab. Da wir hungrig sind, stürzen wir uns auf das
erst beste Lokal und tun etwas für Blutzuckergehalt und
Stimmungsbarometer. Wohl gestärkt, können wir uns dann den ersten
Gassen und Winkeln dieser blauen Perle (so wird Chefchauen auch
genannt) widmen.
Die
Stadt schmiegt sich an die Hänge des Riff Gebirges und die
verwinkelten Gassen, Stege und Plätze sind schon sehr alt und werden
in direkte Verbindung mit der andalusischen Stadt Vecher de la
Frontera (Südspanien) gebracht.
Warum
genau sie blau angemalt ist, bekomme ich nicht mehr ganz zusammen.
Ich weiß nur, dass es etwas mit bösen Geister fernhalten und
angeblich auch mit Schutz vor Moskitos zu tun haben soll. Jedenfalls
ist der Großteil der Gebäude in der Medina (Altstadt) in allen blau
Tönen angemalt und die Bewohner sind quasi ständig dabei, die Farbe
zu erneuern. An manchen Stellen kommt man sich vor, wie ein Fisch in
einem Aquarium. Sehr faszinierend. Das gefällt auch den Kindern sehr
und die vielen vielen vielen Katzen im Ort sowieso.
Da Chefchauen ein starker Touristenmagnet ist, finden wir hier auch wieder viele touristisch geprägte Läden und vermehrt eben auch weitere Touristen. Trotzdem hat sich der Ort seine Ausstrahlung und Identität behalten. Wenn man hinter all die Souvenirshops sieht, bekommt man schöne Einblicke in das Leben dieser Stadt und seiner Menschen und zudem ist es hier möglich, zu Schauen und zu Schlendern, ohne zum Kauf gedrängt zu werden. Sieht man von den vielen Versuchen ab, uns Hasch verkaufen zu wollen (die Jungs ließen es nach einem „Nein danke“ aber auch gleich wieder gut sein), kann man völlig unbehelligt durch den Ort schlendern und einfach nur staunen. Nicht selbstverständlich in Marokko. Und daher kaufen wir am Ende auch ein wenig ein, da es schöne Dinge wie Decken und Jacken aus schöner reiner Schurwolle für unschlagbare Preise gibt. Zudem leckerer Honig aus dem Riff, getrocknete Feigen, Olivenöl und schönes aus Messing (in meinem Fall eine simple halbrunde Kerzenhaube mit Löchern, die ein schönes Muster an die Wände und Decke werfen). Wir sind überrascht über die recht fairen und kaum überzogenen Preise in den Läden und Restaurants.
Müde
und zufrieden über die ersten Eindrücke, nehmen wir uns ein Taxi
und lassen uns den steilen Berg hinauf zum Camp für 15DH zurück
fahren. Perfekt.
Es
gefällt uns hier gut. Hier bleiben wir ein paar Tage.
Wir
haben auf dem Platz super nette Kontakte zu anderen deutschen
Reisenden und verbringen mit diesen nette austauschende Abende und
auch jeweils zwei weitere schöne Spaziergänge durch die Medina.
Ich darf sogar einmal davon alleine mitziehen und Anselm wagt sich in
das Abenteuer „Freibad in Marokko allein mit zwei Kleinkindern“.
Weil
das Bad sich als mittel schwere Katastrophe heraus stellt, wirkt er
nach diesen drei Stunden fast ein bisschen traumatisiert. Die
Vorstellungen von Sicherheitsvorkehrungen und einfachsten
Komfortvorstellungen gehen hier und daheim in Süddeutschland schon
weit aus einander.
Dann
bekommen wir noch eine richtiges menschliches Drama mit auf dem Camp.
Schon
bei unserer Ankunft parkt dort ein weißes französisches Wohnmobil.
In keinster Weise ungewöhnlich. Weil es das einzigste ist, fällt es
eben doch kurz auf.
Am
zweiten morgen dann der Beginn eines großen unglaublichen Dramas.
Lautes wütendes Geschrei auf Französisch tönt herüber von dem
Mobil. Okay, die haben sich in den Haaren. Weil wir das durchaus
kennen, achten wir nicht weiter darauf. Ist privat. Dann fängt der
ältere Mann an, das Mobil gröber auszuräumen. Auch das noch nicht
ungewöhnlich. Machen wir auch immer wieder bei Aktionen wie „Wo,
verdammt noch mal, war diese blöde Schraube???“ oder ähnlichem...
Als
dann aber seine völlig schwankende und nur bedingt bekleidete Frau
aus dem Mobil aussteigt und zwischen all den ausgeladenen Dingen,
einem Hund und einer Katze zum sitzen kommt, er kurz mit dem
Campingplatzmanager redet und dann mit dem Mobil weg fährt, finden
wir die Situation dann doch seltsam.
Als
klar wird, dass der Mann gerade eben seine Frau ausgesetzt hat, laufe
ich rüber zu der schluchzenden Frau, um zu sehen, ob Hilfe nötig
ist. Beim näher kommen wird schnell klar, die Frau ist völlig
betrunken und weiterer Alkohol steht in Reichweite. Da die Frau nur
ein kurzes Nachthemd trägt und sonst nichts, suche ich in den Dingen
um sie herum schnell nach einer Hose für sie, die sie dann auch
dankbar annimmt und sogleich anzieht.
Der
Campingplatzbesitzer macht ein ratloses Gesicht, denn der Mann dieser
Frau hat ihm gerade ein riesiges Problem überlassen und er wirkt auf
mich so, als ob er versteht um was es geht, aber jetzt auch erst mal
nicht weiß, was zu tun ist. Ich helfe ihm, in den Sachen nach
persönlichen Dingen wie Papiere, Geld, Wertgegenständen und
Medikamenten zu suchen. Von letzterem finden wir sehr viele. Ich bin
dem Französischem leider noch immer nicht mächtig. Aber der Manager
spricht Englisch und so gebe ich ihm zu verstehen, dass ich an seiner
Stelle, einen Arzt dazu rufen würde, weil ich keine Ahnung habe, ob
das Medikamente wären, die eventuell wichtig sein könnten. Zudem
finden wir einen Behinderten Ausweis der Frau und keinen müden Cent.
Wow...wie heftig verzweifelt muss ein Mann sein, seine Frau so
hilflos aus zusetzten??? Ich will das in keinster Weise verurteilen,
weil wir nicht wissen, welche Vorgeschichte hier rein spielt. Klar
ist, es geht um Alkoholsucht. Und das ist nicht lustig. Am wenigsten
für die direkten Verwandten, weil die gerne in sogenannte Co
Abhängigkeiten rutschen und lange mit aller Kraft versuchen den
Betroffenen zu schützen und damit dessen Sucht nur unterstützen.
Als der Manager versucht, über das Handy der Frau die Kinder derer
zu erreichen, legen diese nach den ersten Worten sofort wieder auf.
Krass. Den Mann erreicht man einmal noch kurz und da teilt er mit,
dass er bereits am Fährhafen von Tanger sei und nicht gedenke zurück
zu kommen.
Mich
macht diese Szene sehr nachdenklich. Der Mann hat einfach alles
ausgeladen, was seiner Frau gehörte...da waren Klamotten,
Lebensmittel, Kosmetik, Schuhe, der Hund, die Katze, alles Zubehör
zu den Tieren, ein Staubsauger, Medikamente, diverse Reiseandenken,
viel privates, einfach alles...ausgeladen und allein gelassen. Die
beiden waren sicher Mitte Ende 70. Wie lange mögen sie schon
nebeneinander her gelebt haben, wann ist ihre Alkoholsucht dazu
gekommen und warum oder war sie der Auslöser???
Wir
können hier nichts machen. Wir gehen mit Oskar spazieren und nehmen
den kleinen Hund mit und sorgen dafür dass Hund und Katze zu fressen
und zu trinken haben. Der Manager lässt die Frau in eine der
Bungalows des Platzes einziehen, da es heute auch noch anfängt ein
wenig zu regnen und zieht einen Arzt hinzu. Als wir nach einer
knappen Woche weiter fahren, ist die Frau noch immer da und wir
bekommen nicht mehr mit, wie ihre Geschichte weiter geht.
Wir
lösen uns nur schwer von dem netten Städtchen und fahren dann auch
gar nicht weit (ca.35km) in ein Seitental nach Akchour. Dort soll es
Wasserfälle und ein Felsentor geben, zu dem man über einen schönen
Weg hinlaufen kann. Da nur eine kurze Info im Führer dazu zu finden
ist, sind wir über den riesigen Parkplatz und Andrang etwas
überrascht. Nun gut. Egal. Jetzt sind wir hier und sehen uns das
Ganze auch mal an.
Als
erstes läuft man an einigen Saftverkäufern und Souvenirständen
vorbei, bevor es wirklich an den Wasserlauf geht.
Der Weg ist
interessant für die Kinder, da es über Stege; Brücken, Treppen und
Felsen, vorbei an Wasserfällen, Seen, Gumpen und Wasserläufen geht.
Die Massen verlieren sich recht schnell und so wird das Ganze dann
doch echt schön.
Nur der Weg wird immer anspruchsvoller über
Felsen, Brücken, Steine durch eine tiefe Schlucht und da es schon
recht spät ist, bleibt Anselm mit den Kids am Fluss und ich laufe
schnell alleine bis zu dem Felsentor, was wirklich wunderschön ist
und die Strecke dorthin sowieso. Ich beeile mich, so dass Anselm den
Weg auch noch schaffen kann.
Dann machen wir uns auf den Rückweg und
trinken in einem der zahlreichen kleinen Cafes und Restaurants am
Fluss einen leckeren Minztee und genießen diese zauberhafte Location
noch ein wenig.
Ein
lohnenswerter Ausflug, den man definitiv nicht erst am Nachmittag
starten sollte, da man sonst Stress bekommt mit dem doch etwas
anspruchsvolleren Weg gegen Schluss und zahlreiche kleine Cafes zur
Rast und zum Verweilen einladen in der Schlucht.
Wir fahren nur
wenige Kilometer zurück und finden auf dem einfachen Camp Akchour
einen Platz für die Nacht.
Hier
baden wir mit den Kindern am nächsten Tag ausgiebig in den
zahlreichen kleinen Pools, Wasserfällen und Becken des Flusses, die
hier zum Teil auch künstlich angelegt wurden. Weil es so Spaß
macht, bleiben wir noch eine Nacht.
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