Von Nakuru ging es erst noch mal einen Tag zurück nach Nairobi, wo wir den Dicken und uns für die weitere Fahrt gen Norden fit machten. Wasser auffüllen, Wäsche waschen, duschen, einkaufen und Internet nutzen und von Thiemo verabschieden.
Wir starteten früh morgens, um dem schlimmsten Verkehr in der Innenstadt Nairobis zu entkommen. Unser Plan ging nicht ganz auf, da wir dann doch noch ziemlich in diesem fest steckten. Nachdem wir die Stadt gen Norden hinter uns gelassen hatten, machten wir eine Frühstückspause, um kurz danach frisch gestärkt den Äquator zu erreichen.
Dort mussten wir natürlich an dem bekannten Schild Fotos machen und ließen uns gegen Bezahlung von ein paar Jungs die unterschiedliche Rotationsrichtung des Wassers auf der Nord –und Südseite des Äquators zeigen. Wir bekamen dafür sogar eine Urkunde, die bescheinigt, dass wir den Äquator überschritten hatten. Wir waren nun 9 Monate auf der südlichen Halbkugel unterwegs und so war die Rückkehr auf die nördliche Hemisphäre fast wie nach hause kommen.
Wir fuhren noch weiter bis Isiolo, dem letzten größeren Vorposten der Zivilisation, bevor es auf die 500km lange berüchtigte Strecke gen Moyale geht. Dort kamen wir am frühen Nachmittag an und hatten so noch genug Zeit, uns vor Ort ein Bild von der momentanen Sicherheitslage auf dieser Strecke zu machen. Wir waren diese Strecke ja bereits im Dezember letzten Jahres südwärts gefahren und da war die Lage ruhig und recht entspannt.
Nun waren wir aber schon von Thiemo in Nairobi gewarnt worden, dass sich die Lage wieder verändert hätte. Seit zwei Jahren hat es im nördlichen Kenia nicht mehr richtig geregnet. Die letzte Regenzeit fiel wieder komplett aus und die Situation hat sich für die dort lebenden Menschen stark verschlimmert. Die Stämme dort züchten Rinder und besitzen oft riesige Herden von diesen. Durch den ausbleibenden Regen sterben die Tiere nun massenweise und den Menschen geht ihre Existenz verloren und haben so kaum mehr etwas zu verlieren. Auch unter normalen Verhältnissen ist diese Gegend für Stammesauseinandersetzungen bekannt. Der Krieg der Stämme um die Rinder findet schon seit Jahrhunderten statt. In den letzten Jahren gab es immer wieder Überfälle auf Lastwägen und Reisende. Zeitweiße konnte man diese Strecke nur im schwer bewaffneten Konvoi fahren.
Von Thiemo wussten wir, dass es eben erst in der letzten Zeit auch wieder Überfälle auf Reisende gegeben hatte und blutige Auseinandersetzungen zwischen den Stämmen statt fanden.
Wir konnten deutlich sehen, dass das Polizei - und Militäraufgebot in Isiolo wesentlich höher war, wie im letzten Jahr und beschlossen, uns bewaffnete Begleiter zu leisten. Da wir uns deswegen die letzten Tage ziemlich viel Gedanken gemacht hatten, waren wir dementsprechend nervös und handelten nicht mehr so überlegt, wie sonst auf unserer Reise. Anselm zog alleine los, um bewaffnete Begleiter für den nächsten Morgen zu finden. Leider unterlief ihm dabei ein grundlegender Fehler. Er bezahlte im Voraus und am nächsten Morgen war natürlich niemand da. Am Checkpoint des Ortes ließ man uns ohne Begleiter nicht durch und verwies uns zu der Polizeiwache, die uns dann auch gegen weitere Bezahlung zwei Polizisten zur Verfügung stellten.
Wir erfuhren später, dass auch alle einheimischen Lastwägen zwei bewaffnete Polizisten dabei hatten und fühlten uns dadurch nochmals bestätigt, dass es gut war, dass auch wir Begleiter dabei hatten.
Endlich konnte es los gehen. Das seltsame war, dass Anselm und ich sofort wieder zu unser gewohnten Ruhe und Sicherheit zurück fanden, kaum das wir auf der Strecke waren. Wir wussten ja bereits, was vor uns lag. Nun waren wir zu sechst im Dicken. Einer der beiden Polizisten saß vorne auf dem Beifahrersitz, damit man ihn gut sehen konnte, seine G3 zwischen seinen Beinen und zwei Handgranaten um den Hals. Für uns ziemlich befremdend. Der andere saß hinten bei Christine und Mario. Ebenfalls schwer bewaffnet. Ich war die ganze Zeit damit beschäftigt, Oskar von dem Polizisten vorne fern zu halten, dem dieser nicht geheuer war.
Nach ca. 2 Stunden hielten wir, um ein Fahrzeug, das sich festgefahren hatte, zu helfen. Dabei stellten wir fest, dass wir einen platten Reifen hatten. Die beiden Polizisten postierten sich rechts und links neben den Dicken und ließen die Umgebung nicht aus den Augen, während wir zügig den Reifen wechselten.
Dann konnte es wieder weiter gehen. Wir wurden auf der, teils wirklich schlechten, Schotter – ,Sand – und Wellblechpiste ganz schön durchgeschüttelt und halfen noch einem weiteren Fahrzeug mit Luft für einen Ersatzreifen aus.
Die ganze Zeit konnten wir immer wieder tote Rinder am Straßenrand sehen. Die lebenden waren sichtbar mager. Riesige Wassertanklaster waren unterwegs und versorgten die Menschen mit Trinkwasser. Später erfuhren wir, dass sie dafür pro Liter mehr zahlen müssen, wie für einen Liter Diesel. Für uns eine furchtbare Vorstellung, dass man aus einer solchen Notlage auch noch ein Geschäft machen muss.
Ziemlich müde und geschafft kamen wir gegen späten Nachmittag in Marsabit an, dem einzigen größeren Ort auf dieser Strecke, der genau auf der Hälfte liegt. Wir machten uns sofort daran, den Ersatzreifen wieder auf die Felge aufziehen zu lassen, konnten wir ja schlecht die zweite Hälfte der Strecke ohne einen solchen weiter fahren. Dies dauerte wieder vier Stunden, da unsere Sprengringfelgen sehr schwer zu handhaben sind und ohne schweres Werkzeug ist dabei viel Fantasie und Improvisierungskunst nötig. Mit vereinten Kräften schafften wir es.
Wir hatten außerdem einen Frontscheinwerfer verloren, (Anselm kamen schier die Tränen, als er das bemerkte), ein hinterer Kotflügel hatte sich komplett gelöst, einige Schrauben an den vorderen Kotflügel waren weg und das Trittblech an der Beifahrerseite war lose. Der Dicke litt auf dieser Strecke am meisten.
Außerdem erfuhren wir von den Einheimischen, dass der obere Teil der Strecke sicher sei und es daher nicht nötig wäre, die Polizisten weiter mit zu nehmen. Wir entschieden uns, die weitere Strecke alleine zu fahren und gaben dies den Polizisten bekannt. Diese waren nicht unglücklich darüber, da solche Einsätze nicht gerade als beliebt gelten. Die Strecke ist eine ganz schöne Tortur und die Polizisten müssen diese ja auch wieder zurück fahren.
Wir waren heilfroh, als wir endlich am Campingplatz ankamen, aßen noch halbherzig etwas und fielen dann schnell in einen erschöpften und recht kurzen Schlaf, da es am nächsten Morgen schon wieder früh weiter gehen sollte.
Am nächsten Morgen ging es wesentlich entspannter weiter. Zu viert hatten wir wieder mehr Platz im Dicken und außerdem hatten uns die Anwesendheit von Waffen nicht behagt.
Weiterhin ging es durch einsame karge steppenartige und sandige Landschaften.
Es waren noch weniger Fahrzeuge, wie auf dem unteren Teil, unterwegs. Nun begegneten uns dafür riesige Kamelherden. Wir erfuhren, dass die Menschen hier durch die lange Trockenheit anfingen, die Kamele für sich zu entdecken, die, im Gegensatz zu Rindern, mit viel weniger Wasser auskommen und somit für diese Gegend gut geeignet sind.
Wir halfen einem liegen gebliebenen Lastwagen mit 40 Liter Diesel aus, worüber die drei Mann starke Besatzung überglücklich war. Für uns war es selbstverständlich, dass man sich gerade auf einer solchen Strecke gegenseitig helfen muss.
Die Strecke wird im oberen Teil noch steiniger und felsiger und teilweise kamen wir nur noch mit 10kmh vorwärts. Wir merkten bald, dass wir die Strecke von 250km heute nicht schaffen würden und waren auch noch sehr müde vom gestrigen Tag.
Ca. 100km vor der Grenze zu Äthiopien entschieden wir uns, eine Nacht Buschcamping einzulegen. Wir fühlten uns sicher und hatten am letzten Checkpoint noch einen Polizisten gefragt, was er davon hielt. Es sei hier recht sicher und wir könnten unbesorgt wild campen.
Wir fanden schnell einen schönen Platz und waren glücklich zu wissen, dass wir am nächsten Tag in kurzer Zeit die letzten Kilometer dieser kritischen Strecke hinter uns bringen konnten. Da wir noch genug Wasser hatten, gönnten wir uns alle eine Buschdusche, um den ganzen Staub und Schweiß der letzten zwei Tage herunter zu waschen. Dann schliefen wir zu viert im Laster, da meiner Mutter die Vorstellung hier draußen zu schlafen, nicht behagte. Zum Glück ist der Platz im Dicken für solche Fälle ausreichend.
Am nächsten Morgen ging es gemütlich an die letzten Kilometer. Die Landschaft änderte sich nun wieder deutlich. Am Horizont tauchten Berge auf, der Bewuchs links und rechts der Piste wurde dichter und grüner und dicke Regenwolken hangen am Himmel. Es tröpfelte sogar ein wenig. Wir näherten uns Äthiopien, wo gerade die Regenzeit zuende geht. Wir nahmen eine traditionell gekleidete ältere Frau und einen Jungen mit, die einige Kilometer weiter in das nächste Dorf wollten. Sie staunten nicht schlecht, als sie hinten in den Laster einstiegen. Eine sprachliche Verständigung war nicht möglich, aber die freundlich schüchternen und vorsichtig neugierigen Blicke der beiden konnten wir erwidern. Als sie ausstiegen, liefen sie fröhlich lachend und uns zu winkend in das Dorf hinein. Die beiden werden wohl eine Weile lang von diesem sonderbaren Fahrzeug mit den weißen Insassen zu erzählen haben. Dies war eine kurze, aber schöne Begegnung mit der hier lokalen Bevölkerung.
Und dann endlich der Grenzort Moyale und das Ende dieser berüchtigten Schotterpiste.
Übrigens hat man von Süden aus, Isiolo, wirklich begonnen, die Strecke zu teeren. Die ersten 30km sind fertig und die nächsten 30km begradigt...Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis das letzte Stück an der Ostküste Afrikas, wo man noch so etwas wie Abenteuer findet, auch geteert ist. Dann kann man, wenn man will, von Hamburg nach Kapstadt auf geteerten Strassen fahren. Wer weiterhin Afrika pur will, muss dann rechts und links von den Strassen runter fahren.
Anselm ließ in Moyale gleich das abgebrochene Trittbrett schweißen und wir fanden hier sogar ein Internetcafe, um die Bundestagswahlergebnisse aus der Heimat heraus zu finden.
Dann machten wir uns daran, die Grenzformalitäten zu erledigen.
Wir kannten die Grenze und da nichts los war, waren wir schnell auf der anderen Seite und nach Äthiopien eingereist.
Ab hier fahren wir wieder auf der rechten Seite der Strasse, was erst mal ziemlich gewöhnungsbedürftig war, da wir ja nun monatelang auf der linken Seite gefahren sind.
Wir quartierten uns sogleich im nächsten Hotel ein und ruhten uns, bei Speis und Trank, von den Strapazen der letzten zwei Tage aus.
Was für atemberaubende Bilder! Ist Afrika wirklich so rotglühend oder liegt das an der Kamera? Auch sehr eindrucksvoll und lebensecht, vor allem das Skelett *schauder*
AntwortenLöschenAber auf jeden Fall habt ihr viel erlebt.
was ist es denn für ein Gefühl, so direkt auf dem Äuqator zu stehen? ;)